Der polnische Künstler Piotr Iwicki stellt in seinen Werken Menschenmassen dar, indem
er Menschengruppen digital vervielfältigt und über die ganze Bildfläche verteilt. Erst bei
näherem Hinsehen erkennt man Wiederholungen; der wiederkehrende einzelne Mensch
wird zum Rhythmus des Motivs, das ansonsten keine Haltepunkte, kein Bildzentrum bietet.
Die „schockierenden Inszenierungen“ (Iwicki) berühren den Betrachter auf sehr unterschiedliche
Weise und lösen dabei in seinem Kopf weitere Bilder aus. Die Massenszenen
wirken gerade durch die Transformation der Menschengruppen in Texturen: Als endlose
Muster, von denen auf den Bildern nur ein Ausschnitt zu sehen ist, verweisen sie auf die
gewaltige Dimension der Menschenmassen, in deren Anonymität der Einzelne aufgeht.
Diese überspitzende Darstellung von Menschenmassen wirkt auf den Betrachter oft irritierend,
verstörend oder gar beängstigend. Sie setzt dem seit der Aufklärung propagierten
Konzept des Individuums eine unheimliche, meist als negativ empfundene Realität entgegen
und zeigt damit einen Teil unserer Lebenswirklichkeit. Es ist kein Zufall, daß hierfür
das Massenmedium Digitalfotografie eingesetzt wurde, da sich gerade in diesem Bereich
nach der Industrialisierung eine zweite große Vermassungswelle gebildet hat.
„Nicht zuletzt ist es diese radikale Entleerung der visuellen Informationen, die Piotr Iwickis
digitale Bildstrategien überdeutlich bewusst machen. Wer sich mit seinen Arbeiten
eingehender auseinandersetzt, dem jedenfalls wird danach nicht allein die Vielzahl der
medialen Massenbilder auffallen, sondern vor allem wird er Massenbilder anders sehen.“
(Herbert M. Hurka